Selbständigkeit und Depression
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Selbstständigkeit und Depression

Für Selbstständige sind Depressionen in mehrfacher Hinsicht problematisch. Zum einen in finanzieller Hinsicht: Während ein Angestellter durch die Zahlung von Lohnersatzleistungen während einer Krankschreibung wenigstens finanziell nicht in existenzielle Nöte kommt, kann für depressive Selbstständige die berufliche Zukunft auf dem Spiel stehen. Zwar haben auch Selbstständige in der Regel Krankheitszeiten durch Krankentagegeldversicherungen abgesichert, doch was machen der kleine Handwerksmeister, die Geschäftsinhaberin, die Ärztin oder der Rechtsanwalt, wenn das Fortlaufen ihres Betriebs an ihre persönliche Leistungsfähigkeit gebunden sind? Bleiben die Kunden aus, weil die Chefin oder der Inhaber an Depressionen leiden, sind der Betrieb oder das Geschäft schnell am Ende. Kurz: Gerade Selbstständige, bei denen alles vom persönlichen Engagement abhängt, können sich längere Krankheitszeiten, wie sie Depressionen in aller Regel mit sich bringen, schlicht nicht leisten. 

Zum anderen droht therapeutisches Ungemach: "Kleine" Selbstständige, die der Definition nach selbst und ständig arbeiten, haben nicht selten Wochenarbeitszeiten von 60 Stunden, manchmal mehr. Das bedeutet Stress – sicher. Wobei die Psychologie "Eu-Stress" von "Dys-Stress" unterscheidet.  

Eu-Stress ist Stress, der gut vertragen wird, weil er mit fortwährenden Erfolgserlebenissen einhergeht, Dys-Stress hingegen ist für die Psyche abträglich, weil er ein Überforderungsgefühl mit sich bringt. Typisch für Selbstständige ist der Eu-Stress, denn es läge ja in ihrer Hand, das Arbeitspensum zu reduzieren, wenn sie denn wollten. 

Nun wird leider oft von psychotherapeutischer Seite im Hinblick auf das Arbeitspensum bei selbstständigen Depressiven Dys-Stress angenommen, ohne diese Annahme genauer zu hinterfragen. "Haben Sie sich von Ihrer Arbeit in letzter Zeit überfordert gefühlt?" Antwort: "Ja." Schlussfolgerung: Dys-Stress, der Patient hat ein Burn-out-Syndrom, sich über die Jahre vollkommen überarbeitet. Therapieziel: Reduzierung der Arbeitszeit, eventuell sogar komplette Berufsaufgabe. 

Allerdings gibt es durchaus eine alternative Betrachtungsweise: Depressionen haben oft keinen konkreten oder irgendwie fassbaren Auslöser. Das Gehirn ist ein Organ wie jedes andere und kann genauso unter Stoffwechselstörungen leiden. Die häufigste Stoffwechselstörung des Gehirns heißt "Depression". Natürlich können Depressionen anlassbezogen auftreten, zum Beispiel durch einen Schicksalsschlag ausgelöst.  

Allerdings treten viele Depressionen ebenso grundlos und überraschend auf wie beispielsweise eine Blinddarmentzündung. Jeden kann es treffen. Ein typisches Symptom einer Depression ist der Antriebsmangel. Selbst alltägliche Bagatellverrichtungen wie das Ankleiden können schon zur Anstrengung werden. Wen wundert es da, dass der Betriebsinhaber mit den Alltagsroutinen in seinem Geschäft auf einmal überfordert ist? 

Es liegt keine Überforderung durch "burn out" vor, sondern schlicht eine massive Antriebshemmung im Rahmen eines depressiven Syndroms. Das Therapieziel heißt demnach nicht „Heilung der Depression durch Reduzierung der Arbeit“, sondern „Heilung der Depression und damit der Antriebsminderung“. Erst wenn sich nach Abklingen des depressiven Syndroms der Patient immer noch vom Arbeitspensum überfordert fühlen sollte, ist es an der Zeit, entsprechende Maßnahmen mit Veränderungen am Arbeitsplatz einzuleiten. Folgender Grundsatz ist zu beherzigen:  

WÄHREND EINER DEPRESSION SOLLTE DER PATIENT KEINE LEBENSVERÄNDERNDEN ENTSCHEIDUNGEN TREFFEN! 

Stellen Sie sich vor, der Meister verkauft seine Werkstatt, weil ihm der Psychotherapeut vor Augen geführt hat, dass die Depression eine Folge des Burn outs durch Überarbeitung ist. Frau Meier reicht die Scheidung ein, da ihrem Gefühl nach Herr Meier nur noch nervt. Nach dem Abklingen des depressiven Syndroms vermisst der Selbstständige seinen Betrieb, in dem er erfolgreich tätig war und Frau Meier käme mit Herrn Meier wieder gut zurecht, weil sie nun nicht mehr auf jedes Wort extrem empfindlich reagiert. 

Was tun, wenn ein Selbstständiger depressiv wird? Die Zeit drängt wesentlich stärker als bei anderen Patienten. Der schnellste und zuverlässigste Weg aus schweren Depressionen heraus ist die EKT, wie die aktuellen Leitlinien verdeutlichen: 

Die elektrokonvulsive Therapie (EKT) ist als wirksame Behandlung therapieresistenter und schwerer depressiver Störungen anerkannt. Der Wirkeintritt erfolgt in der Regel rasch. Obwohl vor allem Patienten mit ungünstigen Krankheitsverläufen mit EKT behandelt werden, können in 60 bis 80 Prozent der Fälle Remissionen erzielt werden mit einer maximalen Response nach zwei bis vier Wochen. Bei Patienten mit psychotischen Symptomen liegt die Remissionsrate unter EKT bei ungefähr 90 Prozent mit einer zu erwartenden Entlastung des Patienten nach zehn bis 14 Tagen. Es gibt Hinweise, dass das Suizidrisiko durch EKT rasch reduziert wird. Der Anwendungsbereich der EKT beinhaltet zu etwa 80 Prozent die therapieresistente Depression. Wenn zwei lege artis durchgeführte Behandlungen mit Antidepressiva unterschiedlicher Wirkstoffklassen zu keiner Besserung geführt haben, ist eine Behandlung mit EKT indiziert und der Patient sollte über diese Therapieoption aufgeklärt werden. Daneben kommt die EKT bei schweren depressiven Episoden primär zum Einsatz, wenn eine der folgenden Situationen vorliegt:  

  • andere Behandlungen sind kontraindiziert, beinhalten ein höheres Risiko oder stärkere Nebenwirkungen;
  • es liegt ein besonders dringliches Zustandsbild vor (z. B. vital bedrohlich oder schwer suizidal);·der Patient wünscht die Behandlung ausdrücklich;
  • es wird ein gutes Ansprechen auf EKT erwartet (Erfahrung aus vorausgehenden EKT-Behandlungen oder prognostische Hinweise wie z. B. psychotische Symptome oder psychomotorische Verlangsamung.

(Quelle: http://www.leitlinien.de/nvl/html/depression/kapitel-3) 

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Ausführliche Informationen zur EKT finden Sie unter http://www.zakt.org/.