Ketamin
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Ketamin

Eine Behandlungsmethode für depressive Patienten, die ich im meiner Praxis seit 2014 anbiete, sind Ketamin-Infusionen.  Die Behandlung ist nebenwirkungsarm, sehr gut verträglich, aber nur unter bestimmten Bedingungen sinnvoll. Beachtet werden muss, dass der Patient nach der Infusion nicht fahrtauglich ist. Daher ist eine Begleitperson oder zumindest jemand, der den Behandelten abholt, sehr wichtig.

Ketamin ist an sich ein Mittel aus der Anästhesie, das für Kurznarkosen (auch bei Schwerverletzten am Unfallort) verwendet wird. Schon länger findet es ambulant Anwendung in der Schmerztherapie. Wie seit einigen Jahren bekannt ist, hat Ketamin auch einen rasch einsetzenden antidepressiven Effekt, der vor allem bei sehr schwer depressiv Erkrankten oder bei akut selbstmordgefährdeten Patienten genutzt wird.

Als weitere Indikation kommt inzwischen die „therapieresistente Depression“ dazu. Darunter versteht man laut Definition eine Depression, die auf die Gabe zweier Antidepressiva aus unterschiedlichen Wirkstoffklassen nicht angesprochen hat. Dabei müssen diese Medikamente hoch dosiert gegeben und ausreichend lange verabreicht worden sein.

Ketamin wird als Infusion mit einem Infusionsautomaten verabreicht, weil die Verabreichungsgeschwindigkeit wichtig für das Eintreten der Wirkung ist. Die Substanz könnte selten einmal Horror-Trips auslösen, so dass vorab eine Kurzinfusion mit einem Benzodiazepin zur Vermeidung solch einer Nebenwirkung gegeben wird. Weil Benzodiazepine ein Suchtpotenzial haben, ist die gesamte Behandlung  für Patienten mit einer Abhängigkeitserkrankung in der Vorgeschichte nicht geeignet.

Während der Infusion kommt es meist zu einem dissoziativen Erleben. Das bedeutet, dass der Patient das Gefühl hat, als ob sein Körper sich auflöse, er losgelöst von seinem Körper schwebe, mit dem Weltall verschmelze usw. Oft werden auch die eigenen Körperproportionen oder die des Raums verzerrt erlebt. Synästhesien sind häufig. So werden Töne „gesehen“, Farben „gehört“ etc. Diese Empfindungen werden von den Patienten nach der Ketamin-Infusion meist als sehr angenehm beschrieben.

Mögliche Nebenwirkungen sind Blutdruckerhöhungen und Pulsbeschleunigungen. Für Patienten mit schlecht eingestelltem oder hohem Blutdruck kommt die Behandlung daher nicht infrage. Während der Infusion erfolgt eine Überwachung mit EKG-Monitor und die Messung der Sauerstoffsättigung, außerdem wird natürlich der Blutdruck kontrolliert.

Die Akutwirkungen des Ketaminrausches klingen innerhalb einiger Minuten nach dem Ende der Infusion ab. Der antidepressive Effekt hält darüber hinaus an. Die Dauer ist individuell sehr unterschiedlich: von wenigen Stunden bis zu zwei Wochen.  Anfänglich benötigen die Patienten oft zwei Infusionen pro Woche, dann lässt sich die Behandlungsfrequenz senken und ausschleichend beenden.

Es ist möglich, dass Patienten, bei denen zuvor keine Therapie angeschlagen hat, dank Ketamin ganz aus den Depressionen herauskommen. Die Datenlage ist allerdings  noch wesentlich dünner als die bei der Elektrokonvulsionstherapie "EKT", die schon seit 1938 etabliert ist.

Vorteil der Behandlung mit Ketamin ist die einfache und bedarfsweise rasche Verfügbarkeit in der Praxis, Nachteil im Vergleich zur EKT die  schlechtere Wirksamkeit bei schweren und therapieresistenten Depressionen.